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Menschen fühlen sich am liebsten gut. Was heißt eigentlich gut? Meistens werden sogenannte negative Gefühle (Wut, Ärger, Verzweiflung, Trauer, Niedergeschlagenheit) gemieden und positive Gefühle (Freude, Glück, Dankbarkeit, Verbindung, Zuversicht) angestrebt. Der Nachteil dieser Neigung ist, dass die Gefühle bedingt sind. Das heißt, dass die gewünschten Zustände Bedingungen unterliegen. Daher ist eine Person, die ja in einer polaren Welt lebt, immer diesem Streben unterworfen. Sie muss ständig Bemühungen unternehmen, unerwünschte Zustände abzustellen und gewünschte Zustände zu erreichen. Diese ständige Anstrengung ist wahnsinnig belastend und benötigt fast alle Ressourcen eines Menschen.

Geht es auch anders? Ja, natürlich. Dazu ist anzuerkennen, dass der größte Teil dieser Gut-Schlecht-Polarität im Leben von den eigenen Bewertungen abhängt. Diese entspringen unseren persönlichen Mustern. Und diese sind veränderbar oder gar entfernbar. Je weniger persönliche Muster ein Mensch mit sich herumträgt, umso weniger Bewertungen und Vorstellungen von Richtig und Falsch hat er. Das ist eine große Befreiung, denn das was ist, darf sein, wie es ist.

Ich erlebe in Sitzungen oft, dass die Klienten, die gerade ein Muster aufgelöst haben, nicht nur ein Gefühl der Erleichterung erleben, sondern sich häufig in dem neu gewonnenen Zustand unsicher fühlen. Es hat sich ein Komplex aufgelöst, der sie meist schon lange Zeit belastet hat. Nun ist da nichts mehr, eine gewisse Leere. Das ist neu und ungewohnt. Doch so fühlt sich wirkliches Gutfühlen an: nichts zu fühlen. In diesem Raum erst kann sich die grundlose Daseinsfreude entfalten. Das gleiche gilt übrigens auch für den Körper: Ein gesunder Körper ist einer, den man praktisch nicht wahrnimmt.

Stress, Angst, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Minderwertigkeitsgefühle: Wenn wir in einer Situation unerwünschte Empfindungen erleben, dann stehen unerkannte und nicht aufgelöster Muster oder frühere Erlebnisse dahinter. Diese kann man herausfinden und bearbeiten. Allerdings nützt uns das wenig, wenn wir im Vorraum eines wichtigen Vorstellungsgesprächs oder einer Präsentation sitzen; wenn wir in einem privaten Konflikt um Fassung ringen; wenn wir uns mitten in einer sehr unangenehmen Situation finden, in der wir keinen klaren Gedanken fassen können.

Hier bietet eine einfache Übung sofortige Abhilfe, die Sie überall spontan ausführen können:

Die Stirnbeinhöcker-Übung

Setzen Sie sich an einen Tisch, stützen Sie die Ellenbogen auf den Tisch oder eine andere Ablagefläche und legen Sie Zeige- und Mittelfingen beider Hände auf die beiden Stirnbeinhöcker an Ihrer Stirn. Die Abbildung zeigt, wo die Stirnbeinhöcker liegen. Sie können die kleinen Erhebungen leicht tasten.

Nun stellen Sie sich Ihre zukünftige Situation, das Gespräch vor, mit allen Aspekten, die Ihnen ein ungutes Gefühl machen. Fühlen Sie die Empfindungen, die Sie jetzt dazu haben und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit gleichzeitig auf die Fingerspitzen, die Ihre Stirn leicht berühren. Bleiben Sie bei einem Gefühl so lange, bis es sich auflöst und Sie ein leichtes Pulsieren in den Fingerspitzen fühlen. Dann gehen Sie zur nächsten Empfindung. Machen Sie das so lange, bis Sie unbelastet an das kommende Gespräch denken können.

Viele meiner Klientinnen und Klienten wenden diese Übung in allen unerwünschten Situationen an. Interessanterweise berichten sie, dass die gleiche Situation beim nächsten Mal oft schon viel weniger belastet ist oder die betreffende unerwünschte Emotion insgesamt immer seltener auftritt.

Probieren Sie es einfach selbst aus! Ich freue mich über Feedback und Erfahrungsberichte.