Schlagwortarchiv für: Selbstfindung

Praxis für Psychotherapie und Hypnosetherapie | ulrich-heister.de

Wir alle haben Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen, dem Großartigen. Ich denke, es liegt daran, dass wir eine Grundtendenz haben, uns verbessern zu wollen. Oder daran, dass wir uns sicher fühlen und Kontrolle haben möchten. Vielleicht stellen wir uns ein Ideal vor, das wir anstreben. Wir wollen es richtig zu machen, edel zu sein und gut. Ist das ein Irrweg?

Wir versuchen besonders zu sein

Besonders oder wichtig wollen fast alle Menschen sein. Die üblichen Mittel dazu sind beeindruckendes Wissen, spezielle Fähigkeiten, eine tolle Karriere oder ein gehobener Status. Manche verwirklichen Ihre Außergewöhnlichkeit über das Scheitern. Man muss sich selbst nur irgendwie plausibel machen, dass der eigene Erfolg oder die eigene Erfolglosigkeit besonders sind. Schon geht es dem Ego besser.

Normalität wird als langweilig und fade empfunden. So suchen wir ständig nach Erfahrungen, die uns aufwerten oder uns einen Kick geben. Die gesamte Modebrache nutzt diese Tatsache aus. Ständig müssen neue Klamotten her, möglichst teuer und ausgefallen oder billig, damit man sie nach ein paar Mal Tragen wegwerfen kann und immer dem aktuellen Trend folgen kann. Das gleiche gilt für Smartphones, IT-Devices und Autos. Nach kurzer Zeit muss etwas Neues her, um en vogue und hipp zu sein. Die wachstumsgesteuerte Politik und Wirtschaft freut es.

Hauptsache super!

Kaum ein Film im Mainstream-Kino kommt ohne Superhelden, Superreiche oder globale Katastrophen aus. Die Szenarien sind völlig überzogen und haben nichts mit dem normalen Leben zu tun. Hier kann der Normalo Sachen erleben, die sein Leben so ohne weiteres nicht hergibt und er hat für eine kurze Zeit den Eindruck etwas ganz tolles erlebt zu haben. Die gleiche Funktion haben Erlebnisparks und Extremsportarten. Ich möchte das alles nicht abwerten, denn es kann Spaß machen. Doch man sollte sich klar machen, dass all dies Zeug ist, dass irgendwann immer mehr, immer extremer, immer maximaler sein muss und doch nicht glücklich macht. Die innere Leere, die gefüllt werden soll, dehnt sich trotzdem immer weiter aus.

Selbstfindung statt Karriere

Viele Menschen reiben sich in einer Karriere auf, um Anerkennung und Status zu erlangen, die irgendwann zum Selbstzweck wird. Der Status verschlingt immer mehr Mittel und die Verpflichtungen nehmen zu. Hauptsache, die Eltern sind stolz, die Privatleben ist vorbildlich und der Chef kommt bald mit der Beförderung. Und man will ja auch im Freundeskreis mithalten. Die Unruhe ist pausenlos und das Innehalten unmöglich. Das Hamsterrad dreht sich immer schneller, bis man sich selbst kaum noch wahrnimmt und der Burn-Out an die Tür klopft.

Dieser Trend scheint sich abzuschwächen, zugunsten eines anderen. Das Pendel scheint vom einen Extrem in das andere auszuschlagen. Zurzeit schwingt es Richtung Selbstoptimierung. Manche betreiben sie, um das Hamsterrad besser ertragen zu können, andere versuchen auszusteigen und entdecken die Spiritualität, das Slow-Living oder die Achtsamkeit für sich. Das ist natürlich auch alles nicht schlecht, doch auch hier lauert die Ich-bin-besonders-Falle und all das kann man auch übertreiben. Die Wahrscheinlichkeit dazu ist relativ hoch, zumal man ja vorher auch schon zu Extremen neigte. Neigungen verschwinden jedoch nicht durch Verhaltensänderungen, dazu müssen andere Ebenen angesprochen werden.

Das, was ist, ist das Wunder

Und was jetzt? Was kann man tun, um relativ leicht Zufriedenheit und Erfüllung zu erreichen? Sie wissen es bereits: Die Normalität, das Dasein an sich, ist das Wunder. Das, was unmittelbar ist, reicht völlig aus. Es sind unsere Gedanken, Bewertungen und persönlichen Muster, die es fade, langweilig oder selbstverständlich erscheinen lassen.

Machen Sie sich klar: Wir sitzen auf einem winzigen Staubkorn im Weltall, rasen mit ihm in irrwitziger Geschwindigkeit um das Zentrum der Milchstraße. Wenn verschiedene universale Konstanten nur minimalst anders wären, wäre das Weltall schon längst wieder kollabiert oder den Kältetod gestorben. Es wäre gar kein Leben entstanden. Wäre die Erde nur ein Stück näher an der Sonne oder weiter weg, gäbe es hier bestenfalls vielleicht ein paar komplexere Aminosäuren, aber sonst nichts. Hätten wir nicht unseren wirklich außergewöhnlichen Mond, der die Erde stabilisiert, würden wir immer noch in der Ursuppe dümpeln.

Ist es also nicht bereits ein ungeheures Wunder, dass es uns hochkomplexe, zur Selbsterkenntnis fähige Wesen, überhaupt gibt? Ok, das ist natürlich eine intellektuelle Ableitung, die mit Unmittelbarkeit nichts zu tun hat. Aber sie ändert vielleicht bereits ein wenig Ihre Perspektive. Es geht noch einfacher:

Was ist, ist alles, was ist

Alles, was nötig ist, ist sich mit dem zu verbinden, was gerade ist. Benutzen Sie einfach Ihre Sinne. Sehen Sie, hören Sie, tasten Sie. Sie werden feststellen, dass das Bewerten und das Denken ruhiger werden oder gar ganz aufhören. Nein, Sie brauchen nicht zu meditieren, können diese Übung aber gerne so bezeichnen, wenn Sie möchten. Das ist ein sehr simpler Reset, der immer möglich ist. Diesen Zustand werden Sie zuerst nicht lange, aber später immer länger aufrechterhalten können. Trainieren Sie es. Aus diesem Raum heraus können Sie dann gelassener und entspannter Ihr Leben entfalten.

Das, was ist, ist das Einzige, was Sie zur tatsächlichen Erfüllung brauchen. Es ist unabhängig davon, wo Sie sich befinden, was Sie tun oder was in Ihrer Umgebung gerade geschieht. Eine andere, dauerhaftere Erfüllung gibt es nicht. Sollten Sie anderer Ansicht sein, handelt es sich um eine Denkgewohnheit oder um ein automatisches, mentales Programm. Es ist das gleiche, welches Sie zu Höherem, Besseren oder zum Besonderen antreibt. Das ist in Ordnung, aber es ist auch gut zu wissen, dass es eigentlich ganz einfach sein kann.

Zufriedenheit und Gelassenheit zu finden ist nicht schwer. Besinnen Sie sich auf das, was gerade ist. Sollten Sie mit dieser Übung Probleme haben, wenden Sie sich jemanden, der sich damit auskennt. Es ist genauso sinnvoll wie einfach, sich von Persönlichkeitsmustern zu befreien, die zu Überforderung führen oder sonst wie schaden.

Junge Menschen sind meistens damit beschäftigt, Indoktrinationen von ihren prägenden Vorbildern zu folgen oder ihnen Widerstand zu leisten. Sie schwanken zwischen Rollen, die sie angenommen haben und der Erfüllung von Erwartungen. Meistens haben sie noch gar nicht herausgefunden, was sie selbst wollen, sondern machen mit dem weiter, was ihnen beigebracht wurde. Sie starten einen Beruf, gründen eine Familie und folgen den Werten, die ihnen mitgegeben wurden.

Dann, irgendwann im Leben fragt sich ein Mensch, wer er eigentlich ist und warum er tut, was er tut. Das kann relativ früh geschehen, meistens ereignet sich dies jedoch eher um die Lebensmitte herum. Häufig ist eine Krise der Auslöser. Es hat sich eine oft eine unbefriedigende Routine eingestellt, die Ausrichtung auf die früheren Ziele ist verloren gegangen oder man weiß nicht mehr, wofür man sich die ganze Zeit abmüht.

Viele versuchen ihr Leben in neue Bahnen zu lenken und suchen sich neue Lebenspartner, versuchen etwas völlig Neues oder schaffen sich Dinge an, von denen sie früher geträumt haben. Nun können sie es sich ja leisten. Andere besuchen Selbstfindungsseminare oder besuchen einen Therapeuten, was natürlich grundsätzlich keine schlechte Idee ist. Welcher Weg auch immer eingeschlagen wird, irgendwann stellt sich die Erkenntnis ein, dass Dinge und Veränderungen im Außen ganz nett sein können oder das Seminare und Sitzungen die Lebensqualität steigern können. Die Leere im Innern aber können sie nicht füllen.

Wer jetzt mutig ist und einen Schritt weitergeht macht eine überwältigende Entdeckung: Die Leere ist der natürliche Zustand des Seins. Das widerspricht meist völlig dem bisher Gelernten. Alle Anstrengungen dienten bisher dazu, ein Ich zu definieren und aus seinem Leben etwas zu machen. Tatsächlich ist es so, dass das Selbst, nach dem man sich auf die Suche gemacht hat, gar nicht existiert. Manch einem macht diese Feststellung Angst und macht einen großen Bogen um sie.

Die Leere ist keine Bedrohung, sondern maximale Freiheit. In sie hinein kann die Person sich definieren. Das hat sie bisher auch schon immer gemacht, nur eben meistens aufgrund der Ideen und Wünsche der anderen. Die Frage ist also nicht „Wer bin ich?“ sondern „Was will ich sein?“

Die Zeit „zwischen“ den Jahren ist hervorragend dazu geeignet, sich diese Frage zu stellen. Setzen Sie sich hin und schreiben Sie auf, wie alle Ihre Lebensbereiche aussehen sollen. Allein das Aufschreiben setzt etwas in Gang. Wenn eine Entscheidung ansteht, erkennen Sie leichter, was richtig ist und sie können Ihre Energien auf ihre Ziele ausrichten.  Viel Spaß dabei!

Dieser Newsletter ist der letzte in diesem Jahr. Der nächste erscheint am 22. Januar. Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage und für 2016 alles Gute!