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Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstbewusstsein: Viele Menschen hätten davon gerne ein bisschen mehr. Oft meint jemand, der einen der drei Begriffe verwendet, ein- und dasselbe. Doch in Wirklichkeit hat jeder von ihnen eine ganze eigene Bedeutung, und es lohnt sich, sie genauer zu betrachten. In diesem ausführlichen Beitrag erfährst du, wie diese Eigenschaften entstehen, warum sie bei so Manchem zu fehlen scheinen – und was du selbst ganz konkret tun kannst, um sie bei dir selbst zu stärken – und, falls du Kinder hast, wie du sie dabei auf gesunde Weise unterstützt.

Woher kommen Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstbewusstsein?

Das „Selbst“: Damit beginnen alle drei Qualitäten. Um sie zu entwickeln, ist also ein Selbst, ein Ich – man könnte auch sagen, eine Identifikation mit sich selbst – notwendig. Niemand von uns ist damit geboren worden. Als Neugeborenes nehmen wir unser Umfeld über unsere Sinne unmittelbar wahr. Teilweise müssen sich diese Sinne erst entwickeln und schärfen. Aber wir beziehen diese Wahrnehmungen nicht auf uns selbst. Das, was da wahrnimmt, könnte eher als ein unpersönliches Gewahrsein bezeichnet werden. Erst mit den Jahren entsteht ein Selbst, das sich durch Anpassung, Nachahmung, Konditionierung und Gewohnheit immer mehr ausdifferenziert.

Zuerst prägt sich also diese Selbstbezüglichkeit aus. Auf ihrer Basis können Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstbewusstsein entstehen. Alle drei Qualitäten sind enorm wichtige und lebensbestimmende Eigenschaften eines Menschen. Ohne sie können wir kein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen. Wir wären eher Spielbälle des Zufalls und der Umgebung oder unterlägen völlig unseren Trieben und Impulsen. Andere könnten mit uns machen, was sie wollen. Wir würden alles glauben, was sie sagen, und würden sehr leicht Opfer von Manipulation. Wir wären nicht selbstständig und autonom, wüssten nicht, was wir wollen und hätten keinerlei Ausrichtung. Welche Auswirkungen das auf unseren Platz in der Gesellschaft, unser Einkommen, unsere Lebensfähigkeit und auch die Lebensqualität hätte, kann sich jeder leicht ausmalen. Eine komplexe Gesellschaft, wie unsere, wäre ohne Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstbewusstsein undenkbar.

Wie entsteht ein gesundes Selbst?

Bei der Selbstwerdung kann einiges schief gehen. Was sollten Eltern oder Vormünder tun, damit gesunde, eigenständige und soziale Menschen entstehen? Um es vorweg zu nehmen: Es ist gar nicht viel, was sie tun müssen. Die Frage ist eher, was sie nicht tun sollten, denn oft wird eher viel zu viel getan. Dies geschieht manchmal aus bester Absicht heraus, ist aber nicht immer zum Besten des Kindes. Jedes Kind hat, wie alle Menschen in jedem Lebensalter, zwei grundlegende Bedürfnisse: Bindung und Wachstum. Beides haben sie schon im Mutterleib erfahren, und sie erwarten, dass es nach der Geburt so weiter geht.

Daraus ergibt sich für die Erwachsenen: Kindern sollte der Raum gelassen werden, sich selbst zu erfahren und auszuprobieren (Wachstum). Heranwachsende sind aus sich selbst heraus hoch motiviert zu lernen. Sie fassen alles an, probieren alles aus, so wie es ihrem Alter entspricht. Sie möchten an Erlebnissen teilhaben und Dinge versuchen. Sie sind neugierig und interessiert, und sie müssen nicht erst dazu gebracht werden.

Das Interesse und die Begeisterung beim Erforschen der Welt führen dazu, dass die Kinder das Gelernte behalten. Ist eine neue Information oder Erfahrung mit einem positiven Gefühl verbunden, wird sie so im Gehirn gespeichert, dass sie dauerhaft abrufbar bleibt. Erst, wenn ein Erwachsener meint zu wissen, was gut für das Kind ist und es ihm gegen dessen eigenes natürliches Empfinden aufdrängt, entsteht Widerstand. Wer hat dies nicht spätestens in der Schule selbst erfahren? Ist aber das Gelernte mit Angst oder Druck verbunden, wird es in dem Gehirnbereich gespeichert, der für Angst und negative Gefühle zuständig ist.­­­­­­­­

Zum anderen braucht jedes Kind liebevolle Akzeptanz (Bindung), um sich entwickeln zu können. Das heißt, Kinder wollen um ihrer selbst willen geliebt werden. Und sie brauchen natürlich altersgerechten Schutz. Viele Kinder haben heute leider eine voll durchorganisierte Freizeit. Sie sollen möglichst früh möglichst viel lernen, damit später sicher etwas aus ihnen wird. Diese Haltung unterstellt, dass aus Kindern etwas gemacht werden müsste. Nein, sie sind bereits etwas beziehungsweise jemand, und sie brauchen lediglich Unterstützung darin, sich selbst zu entfalten. Es ist wichtig, dass sie viel Zeit für sich selbst haben, um sich mit Freuden zu treffen oder draußen zu spielen. Dabei dürfen sie sich auch langweilen. Oft entwickeln sich erst dabei kreative Ideen. Es ist fatal, wenn Eltern ihren Kindern zu viel vorgeben oder ihnen Dinge aus der Hand nehmen, um ihnen zu zeigen, was wichtig ist und wie es richtig gemacht wird. Unterstütze deine Kinder, interessiere dich für sie und beantworten ihnen ihre Fragen.

Fazit: Kinder brauchen nicht zu etwas gemacht zu werden. Sie sind bereits vollständig, sozial, lernbereit, empathisch und hilfsbereit. Alles, was Kinder brauchen, ist eine liebevolle und beschützende Begleitung und einen Raum sich selbst zu erproben.

Selbstvertrauen

Selbstvertrauen bedeutet, grundsätzlich sich selbst und den eigenen Fähigkeiten zu vertrauen. Dazu gehört die eigene Gewissheit, mit den Herausforderungen, die das Leben bringt, fertig zu werden. Das schließt ein, Hilfe zu beanspruchen, wenn es nötig ist. Menschen mit Selbstvertrauen versuchen Neues, lassen sich auf andere Menschen ein und treten sicher auf. Sie wissen, was sie wollen und finden einen Weg, es zu erreichen. Dabei sind sie offen für Anregungen und Ideen anderer. Sie prüfen kritisch, was andere sagen oder tun, und können sich klar abgrenzen. Sie haben mehrere Interessen und gehen ihnen nach, weil sie begeisterungsfähig sind.

Wenn Selbstvertrauen fehlt

Menschen mit geringem Selbstvertrauen sind eher vorsichtig und halten sich zurück. Sie sind weniger offen für Neues und führen eher ein konservatives Leben. Sie haben eine Neigung zu Idolen, die verwirklicht haben, was sie selbst für sich wünschen, und orientieren sich an ihnen in ihrem Denken und Handeln. Sie folgen lieber anderen Menschen, von denen sie sich unterstützt und bei denen sie sich sicher fühlen. Sie schauen sich bei anderen ab, wie sie leben wollen, und folgen eher  Konventionen, ohne diese zu überprüfen. Sie arbeiten unter Anleitung besser als selbstständig. Zustimmung und Anerkennung geben ihnen Kraft und Bestätigung.

Was ist geschehen, wenn Selbstvertrauen fehlt?

Mangelndes Selbstvertrauen ist kein persönliches Verschulden und auch kein unbehebbarer Defekt. Der Fehler liegt eher in der Umgebung, in der sich dieser Mensch entwickelt hat. Er hatte nicht genug Raum, sich selbst zu erproben und erfahrungsbezogen zu lernen. Es sind ausschließlich eigene Erfahrungen, die Selbstvertrauen aufbauen. Wer sich nie getraut hat, über einen hohen Zaun zu klettern, weiß nicht, wie es geht, und wird es später sicher auch nicht versuchen. Bei der Entscheidung, es nicht zu tun, klangen wahrscheinlich die elterlichen Worte im Hinterkopf: „Sei vorsichtig“, „tu dir nicht weh“, „du bist immer so ungeschickt“ oder „Mach keinen Unsinn!“

Möglicherweise warnte vorher schon die Mutter das junge Kind, nicht bis ganz oben auf das Klettergerüst zu steigen, weil sie selbst ängstlich ist: Es könne ja runterfallen und sich verletzen. Sie hat ihre eigenen Beschränkungen auf das Kind übertragen und Zweifel in ihm gesät, die von selbst nicht in ihm entstanden wären. Kinder wissen meist selbst sehr genau, was sie können. Auch wenn der Vater dazu neigt, dem Kind etwas aus der Hand zu nehmen, um zu zeigen, wie es richtig gemacht wird, wird das Selbstvertrauen untergraben. Es bekommt so nicht die Chance, es selbst auszuprobieren. Etwas mehrere Male etwas falsch zu machen ist lehrreicher, als wenn man nur eine Lösung vorgemacht bekommt.

Eltern, die ihren Kindern zu viel abnehmen oder ihnen zu viel vorschreiben höhlen das Selbstvertrauen des Kindes auf perfide Weise aus. Das Gleiche geschieht aber andererseits auch – was vielen Menschen überhaupt nicht bewusst ist –, wenn sie übertrieben loben. Sie denken, sie tun dem Kind etwas Gutes, doch sie tun genau das Gegenteil. Sie vermitteln ihm ein falsches Bild über seine Fähigkeiten. Überfürsorgliche Eltern bieten dem Kind nicht die Möglichkeit, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Es darf vielleicht nicht selbst entscheiden, was es anzieht, oder es darf sich nicht schmutzig machen. Sie suchen seine Freunde und Interessen aus, sie verplanen seine Zeit, sie lösen seine Konflikte oder schützen es davor und so weiter. Wie soll jemand, der so aufwächst, jemals Vertrauen in sich selbst entwickeln?

Was ist zu tun, wenn Selbstvertrauen fehlt?

Was auch immer in der Vergangenheit schief gelaufen sein mag, dass sich kein ausreichendes Selbstvertrauen aufgebaut hat: Es muss auf keinem Fall so bleiben. Wir Menschen sind immer in der Lage, unsere inneren Qualitäten zu ändern oder zu stärken. Oft höre ich Sätze wie: „So bin ich halt.“ oder „Ich bin eine Mensch, der …“ Dabei sind wir als Wesen nie endgültig definiert. Wir können unsere Innenwelt gestalten und Dinge, unter denen wir leiden, ändern. Erwachsen zu sein bedeutet, sich selbst zu hinterfragen und Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Das heißt zu seinen Defiziten zu stehen und aktiv etwas zu tun, diese zu ändern. Das ist viel leichter, als die meisten denken. Ich erlebe dies täglich in meiner Praxis.

Um mangelndes Selbstvertrauen loszuwerden ist es vor allem notwendig, die Gefühle, Überzeugungen und Erlebnisse zu bearbeiten, die in der Vergangenheit entstanden sind und die zu diesem Zustand geführt haben. Es müssen die Gefühle der Verletzung, der Zurückweisung, der sich wiederholenden Enttäuschungen, der Hilflosigkeit und so weiter geheilt werden. Es gilt die Glaubenssätze wie „ich kann nichts“, „alles, was ich anfasse geht schief“, „ich weiß gar nicht, wer ich bin“ und dergleichen in konstruktive Überzeugungen zu ändern.  Zudem muss den Erlebnissen in der Vergangenheit rückwirkend die emotionale Ladung genommen werden, sodass diese Gefühle nicht mehr in die Gegenwart hinein wirken. Dafür gibt es heute hervorragende Methoden.

Mittels dieser Arbeit auf innerer Ebene ändern sich das Selbstgefühl und das Denken. Dadurch fällt es viel leichter anders als vorher zu handeln. Es kann sein, dass dies aufgrund der emotionalen und mentalen Veränderungen fast wie von selbst geschieht. Es ist enorm wichtig, die neuen, absichtlich kreierten Denkmuster in aktive Handlungen umzusetzen. Denn dabei werden die Erfahrungen gemacht, die in der Vergangenheit fehlten und zeigen, dass man heute tatsächlich in der Lage ist, bestimmte Dinge zu tun. Es ist jetzt beispielsweise möglich, Fremde anzusprechen, Dinge zu tun, die man sich vorher nicht getraut hat, im Job selbstständiger zu arbeiten und mehr Verantwortung zu übernehmen, sicher aufzutreten oder den eigenen Standpunkt zu vertreten. Du zeigst, wer du bist,  und sprichst aus, was du denkst. Du vertraust dir selbst und hast Lust vorwärts zu gehen. Nebenbei werden sich viele Ängste und Sorgen, die du vorher vielleicht hattest, auflösen.

Selbstwert

Hierbei geht es natürlich nicht um den Wert eines Menschen. Das Dasein alleine gibt ihm unverhandelbaren Wert und Würde. Es gibt keine Abstufungen zwischen verschiedenen Menschen. Es geht auch nicht darum, für wie wertvoll sich jemand selbst hält. In solch einem Fall sollte das aufgeblasene Ego therapiert werden, falls dies überhaupt noch möglich ist. Es geht darum, wie du zu dir selbst stehst und wie dich selbst einschätzt. Dein Selbstwert spiegelt grundsätzlich wieder, wie du deinen Platz in der Welt einnimmst, ihn ausfüllst und wie du dich dabei fühlst. Aber es geht auch darum, wie du selbst zu deinen Fähigkeiten stehst, wie du sie anwendest und welchen Nutzen du oder die anderen davon haben.

Menschen, die einen gesunden Selbstwert haben, kennen ihren Platz in der Welt. Sie wissen, was sie wollen und sind ausgerichtet. Sie wissen, was sie zur Gemeinschaft beitragen können und bekommen dafür einen entsprechenden Gegenwert, so dass sie frei von Mangel leben können.

Wenn Selbstwert fehlt

Menschen mit einem verminderten Selbstwertgefühl fühlen sich oft nicht gut mit der Welt verbunden. Daher fühlen sie sich unsicher und empfinden oft eine unterschwellige Bedrohung. Sie empfinden sich oft als benachteiligt oder als Opfer derjenigen, die vermeintlich mächtiger sind oder denen es besser geht. Um das Minderwertigkeitsgefühl zu kompensieren, können gerade solche Menschen dazu neigen, andere abzuwerten oder zu diskriminieren. Dadurch, dass sie andere als weniger wert definieren, erheben sie sich in ihrem Selbstverständnis, denn es gibt jemanden, der noch weniger wert ist als sie selbst. Interessant ist, dass das Minderwertigkeitsgefühl nicht unbedingt mit dem eigenen materiellen Besitz zu tun haben muss. Es gibt reiche Menschen, die sich trotz ihres Überflusses minderwertig und leer fühlen.

Oft ist es so, dass die Betroffenen hinter ihren eigenen Möglichkeiten zurück bleiben. Beispielsweise werden sie für Ihre Leistung nicht entsprechend bezahlt oder fordern selbst zu wenig dafür. In meiner Praxis habe ich immer wieder Selbstständige, die sich scheuen für ihre Arbeit ein entsprechendes Honorar einzufordern. Sie sind nicht vom Wert ihrer eigenen Leistung überzeugt oder fürchten, ihre Kunden mit vermeintlich überzogenen Forderungen zu vergraulen. Sind jedoch die Gründe für die Selbstzweifel beseitigt, lösen sich diese Probleme meist.

Was ist geschehen, wenn Selbstwert fehlt?

Menschen, denen es an Selbstwert mangelt, haben in ihrer Entwicklung erlebt, dass ihr Bedürfnis nach Bindung nicht erfüllt wurde. Sie fühlten sich nicht um ihrer selbst willen geliebt. Die Erfüllung dieses Bedürfnisses ist für Babys und kleine Kinder essentiell. Die Gründe, warum die Eltern oder der Vormund nicht in der Lage waren, die nötige Liebe zu geben, können sehr unterschiedlich sein. Oft haben sie selbst keine Liebe erlebt und können sie deswegen nicht weitergeben. Oder ein wichtiges  Elternteil ist depressiv. Es hat eh schon genug mit sich selbst zu kämpfen, und da ist ein Baby noch eine zusätzliche Belastung. Viele Eltern, die ihren Kindern keine Liebe geben können oder sich nicht genug Zeit dafür nehmen, versuchen dies mit Geschenken auszugleichen. Doch das funktioniert nicht. Menschliche Bindung ist durch gar nichts anderes zu ersetzen.

In einer Therapiesitzung erinnerte sich eine Klientin daran, dass sich ihr Vater nicht für sie interessierte, als sie ein kleines Kind war. Er ignorierte sie und gab ihr keinerlei Aufmerksamkeit. Es wurde ihr in der Sitzung bewusst, wie sie sich damals fragte, wie das sein könne, denn sie liebt ihn ja. Um diesen inneren Konflikt aufzulösen fand sie eine Erklärung für sich: Ich bin falsch. Diese Überzeugung trug sie ihr ganzes Leben lang in sich. Jeder kann sich ausmalen, wie sich das auf das Leben auswirkte und was das mit dem Selbstwert macht. Nach dieser Sitzung änderte sich einiges in ihrem Leben.

Natürlich kann auch abwertendes Verhalten anderer dem Selbstwertgefühl massiv schaden – beispielsweise wenn Eltern ihren Kindern direkt sagen, „du bist doof“, „du kannst nichts“, „stell dich nicht immer so dumm an“ und so weiter. So etwas gibt es leider häufiger, als man vielleicht denkt. Dabei müssen die Eltern das nicht unbedingt aussprechen. Es reicht, dass sie es das Kind indirekt spüren lassen. Es können natürlich auch fremde Personen den Selbstwert eines Menschen stark schädigen, etwa durch Mobbing in der Schule, in der Ausbildung oder im Beruf.

Sehr starke Veränderungen im Leben können den Selbstwert auch vermindern. Jemand findet sich plötzlich in einer Lebenssituation wieder, die fremd ist und in der er sich unsicher fühlt: beispielsweise, wenn sich ein langjähriger Lebenspartner trennt, jemand den Job verliert oder mit seinem Unternehmen scheitert. Aber auch eine Entwicklung in eine positive Richtung kann dies auslösen: wenn jemand ein Unternehmen gründet und plötzlich Chef ist; oder ein beruflicher  Aufstieg, der Aufgaben mit sich bringt, die völlig neu sind. Menschen mit einem stabilen Selbstwert können solche Situationen meist gut bewältigen. Ist es jedoch vorher schon angekratzt, kann es zu Problemen kommen.

Was tun, wenn Selbstwert fehlt?

Hier gilt grundsätzlich auch das, was ich schon beim Selbstvertrauen geschrieben habe. Wie wir gesehen haben, geht es um Bindung und um den Platz in der Welt. Wenn die Belastungen und Verletzungen der Vergangenheit auf emotionaler und mentaler Ebene gelöst sind, geht es darum, den eigenen Platz in der Welt zu finden. Und das auf physischer, sozialer und beruflicher Ebene. Der Betroffene sollte eine neue Vision für die Lebensbereiche entwerfen, die aktuell nicht stimmig sind. Die Frage ist: Wie möchte ich leben? Wie möchte ich sein? Mit dieser Ausrichtung ist es leicht, den Weg schrittweise zu gehen. Jeder erreichte Schritt wird das Selbstwertgefühl steigern. Es ist wichtig, sich Hilfe zu nehmen, falls es erforderlich ist.

Zudem ist es notwendig, eine gesunde Bindung zu etablieren. Für das Baby beziehungsweise das Kind ist die Bindung zu den Eltern existentiell. Es ist abhängig von Versorgung und Zuneigung. Erfährt es in diesem Bereich einen Mangel, so prägt dieser sich ein und bleibt bestehen, bis diese Erfahrung in einem bewussten Prozess bearbeitet wird. Die Schmerzen der Zurückweisung müssen geheilt werden. Der Erwachsene muss erkennen, dass er nicht mehr abhängig ist, dass er das Potential hat für sich selbst zu sorgen und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Die Lösung ist eine Bindung zu sich selbst, zur Welt und zur Gegenwart.

Selbstbewusstsein

Das Selbstbewusstsein spiegelt wider, wie bewusst du dir deiner selbst bist. Das bedeutet: wie gut du mit dir selbst in Verbindung bist; mit deinem Körper, deinen Empfindungen, Gefühlen und Bedürfnissen. Du magst jetzt denken: „Natürlich nehme ich mich wahr.“ Doch es gibt in der Selbstwahrnehmung starke Abstufungen. Ich habe nicht selten Klienten in der Therapie, die fast vollständig in Ihrem Kopf leben. Sie sind oft in mentalen Konstruktionen gefangen und empfinden fast alle ihre Gefühle im Kopf. Vom Hals abwärts findet kaum ein Gespür für innere Vorgänge statt. Die meisten unserer Gefühle und Empfindungen finden jedoch im Körper statt.

Menschen mit einem gesunden Selbstbewusstsein führen ein bewusstes Leben. Sie tun in irgendeiner Weise etwas für ihren Körper. Sie treiben Sport oder machen Körperarbeit, wie Tai Chi oder Yoga. Sie vergiften sich nicht mit Zigaretten, Alkohol, Drogen oder ungesunder Nahrung, denn ihr Körperbewusstsein macht ihnen dies unmöglich. Sie nehmen sich selbst an und akzeptieren sich, wie sie sind. Sie führen ein selbstverantwortliches Leben, was heißt, dass sie nicht andere oder das System für ein mögliches Unglück beschuldigen. Sie wissen, was sie wollen, und können sich gut gegen andere abgrenzen. Sie sind selbstbestimmt und sorgen für ihre persönliche Integrität. Ihr Reden und Handeln ist in Übereinstimmung mit ihren Werten.

Wenn Selbstbewusstsein fehlt

Menschen mit geringem Selbstbewusstsein haben einen eingeschränkten Zugang zu ihren Empfindungen, Gefühlen und Bedürfnissen. Sie bewohnen ihren Körper nur eingeschränkt und sind unzureichend mit ihm verbunden. Beobachte einmal, wie Menschen gehen. Machen sie fließende Bewegungen, und der ganze Körper schwingt natürlich mit, oder wanken sie von einem Bein auf das andere? Haben sie eine lebendige Ausstrahlung, oder wirken sie erstarrt? Was meinst du, wie sie mit ihrem Körper umgehen? Wirkt er gepflegt oder eher vernachlässigt?

Selbstschädigendes Verhalten kann nur bei mangelndem Selbstbewusstsein auftreten. Rauchen lässt sich nur ertragen, wenn derjenige nicht fühlt, was er tut. Das gleiche gilt für übermäßiges Essen oder den Konsum von Drogen. Nur wer sich nicht fühlt, kann mehr essen als bis zur Sättigung oder weit über den Appetit hinaus. Die Wahrnehmung ist zu einem gewissen Grad vom Körper abgespalten, und es wird in vielerlei Hinsicht möglich, über die eigenen Grenzen zu gehen.

Das Empfinden der eigenen Bedürfnisse ist eingeschränkt. Daher weiß die oder der Betroffene gar nicht genau, was er will. Er wird leicht zum Spielball äußerer Einflüsse und wird manipulierbar. Diese Menschen fallen leichter auf einen Betrug hinein oder lassen sich zu etwas überreden, was sie eigentlich gar nicht wollten. Es ist natürlich auch schwer, einen passenden Lebenspartner zu finden, wer nicht empfunden werden kann, wer der oder die „Richtige“ ist. Wer sich selbst nicht fühlt, kann andere nicht fühlen, und ihm stehen bei der Entscheidung nur Äußerlichkeiten zur Verfügung. Und die können bekanntlich trügen.

Manche Menschen leben so sehr in ihrem Kopf, abgetrennt vom Körper und ihren Gefühlen, dass sie nur noch in mentalen Konstruktionen leben. Ihr Weltbild weicht so sehr von der Realität ab, dass sie ständig im Konflikt mit ihr leben. Sie können andere Menschen nicht verstehen und sind nicht in der Lage, sich in sie hineinzuversetzen. Diejenigen, die von ihren eigenen Vorstellungen abweichen, werden verurteilt und abgewertet. Dies ist beispielweise der Fall bei Menschen, die sehr stark von einer Ideologie oder Religion indoktriniert sind.

Diese mentale Konstruktion kann sich auch in einer starken beruflichen Identifikation äußern. Solche Menschen leben hauptsächlich ihre professionelle Funktion. Da sie sich als lebendiges Wesen kaum mehr wahrnehmen, haben sie sich in diese Identität geflüchtet. Sie sind der Anwalt, der Arzt, der Intellektuelle oder Nerd ­ und sonst nichts. Auch im Privatleben sprechen und handeln sie oft wie in ihrem Beruf. Sie erfahren aufgrund ihrer Rolle einige Bewunderung, aber zufrieden sind sie häufig nicht. Oft empfinden sie eine innere Leere und Unsicherheit, die zu einer Krise führen kann. Einigen meiner Klienten ist es so ergangen.

Diese mangelnde Verbindung zu sich selbst, zu anderen und zur Welt ist in der Regel die Grundlage für viele Ängste und Zwänge, denn es stellt sich das Gefühl eines Kontrollverlustes ein. Wer nicht oder kaum fühlt, also keine innere Verbindung hat, kann den Eindruck bekommen, dass er keine Kontrolle hat. Es gibt Dinge, die sich seinem Einfluss entziehen und die ihn überraschen oder überwältigen können. So entsteht Angst.

Ein Zwang dient dazu, die vermeintlich verlorene Kontrolle wiederzuerlangen. Eine Handlung wird so oft wiederholt, bis sie gefühlt wird. Es wird an der Tür gerüttelt, bis sich die Gewissheit einstellt, dass sie zu ist. Etwas wird so lange geputzt, bis sich das Gefühl einstellt, es ist sauber. Zwangsgedanken haben oft einen aggressiven Inhalt oder drehen sich darum, dass etwas Schlimmes verhindert werden soll: „Wenn ich dies nicht tue, dass passiert jenes.“ Daraus resultieren wiederum Zwangshandlungen, die die Kontrolle wieder herstellen sollen.

Wer sich nicht fühlt, hat in der Regel Probleme sich zu entscheiden. Wir können eine Entscheidung nur dann als gefällt wahrnehmen, wenn wir sie fühlen und zu ihr stehen können. Sie muss sich richtig anfühlen. Das ist meist wichtiger als das vernünftige Abwägen der Fakten. Es gibt also viele gute Gründe, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken.

Was ist geschehen, wenn Selbstbewusstsein fehlt?

Die Wurzeln des mangelnden Selbstbewusstseins gehen fast immer bis in die Kindheit zurück. Das Kind wuchs in einer Umgebung auf, in dem seine Wahrnehmung, Gefühle und Bedürfnisse in Frage gestellt wurden. Dadurch erlebte es einen inneren Konflikt. Kinder sehen die Erwachsenen als absolute Autorität an, weil sie ja in jeder Beziehung von ihnen abhängig sind. Zuneigung von den Eltern zu bekommen ist für sie existenziell wichtig. Kommen nun von den Erwachsenen Aufforderungen, Erwartungen, Feststellungen oder Bemerkungen, die dem eigenen Erleben des Kindes widersprechen, erlebt es einen Konflikt.

Beispiel: Das Kind ist gestürzt und hat sich das Knie aufgeschlagen, was natürlich weh tut. Der Vater sagt: „Och, das ist nicht schlimm.“ Er sagt das vielleicht mit der guten Absicht, es zu beruhigen. Nun hat das Kind einen Konflikt, denn es erlebt etwas völlig anderes, nämlich einen großen Schmerz, der ihm vielleicht auch Angst macht. Da es aber mehr dem Vater glaubt als sich selbst, unterdrückt es den Schmerz und trennt sich von ihm ab, weil  es annimmt, dass seine Wahrnehmung falsch ist.

Wenn die Erwachsenen dem Kind immer wieder sagen, was es tun, fühlen, denken oder empfinden soll, oder sie es nicht annehmen, wie es ist, versucht das Kind, eine Lösung für seine erlebten Konflikte zu finden. Es passt sich an. Das haben wir alle erlebt. Wir alle haben Einflussnahme auf unser inneres Erleben erfahren und wurden dazu gebracht, Dinge zu tun, die wir nicht tun wollten. Uns wurde beigebracht, was gesellschaftlich erwartet wird oder welches Verhalten richtig ist. Mittlerweile sind wir daran gewöhnt, denn wir haben uns angepasst und im Rückblick erscheint das nicht so dramatisch. Doch für das Kind sind dies massive Eingriffe. Es erlebt in diesem Moment große Enttäuschung, Zurückweisung, Verletzung oder Schmerz.

Um diese Anpassungsleistung zu erbringen, war es notwendig, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse hintenanzustellen oder gar ganz zu verleugnen. Der Grad der Anpassung ist natürlich individuell unterschiedlich. Er kann jedoch bis zur vollständigen Dissoziation gehen: Das heißt, der Mensch hat kaum mehr Verbindung mit sich selbst. Die Selbstwahrnehmung ist massiv eingeschränkt. Er ist tief verletzt. Um diesen Schmerz nicht zu fühlen, hat er sich völlig von sich selbst abgespalten. Er verharrt sein Leben lang in einem Alarmzustand, aus dem er nicht zurückfindet. Emotionaler oder körperlicher Missbrauch etwa kann dies auslösen. Dysfunktionale Eltern geben ihre ungelösten Verletzungen an ihre Kinder weiter.

Was tun, wenn Selbstbewusstsein fehlt?

Fast alle Probleme, mit denen meine Klienten in die Sitzungen kommen, haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit und haben mit der Anpassung an die Umgebung ihrer Kindheit zu tun. Natürlich sind es nicht immer nur die Eltern, die Fehler gemacht haben. Auch beispielsweise Verwandte, Spielkameraden, Mitschüler oder Lehrer können große Verletzungen durch ihr Verhalten auslösen. Meistens geschieht dies ja nicht böswillig, manchmal unüberlegt, oft sogar in bester Absicht. Wir leben nicht in einer idealen Welt mit idealen Menschen. Bis zu einem gewissen Maß hinterlassen solche Erfahrungen keine bleibenden Schäden.

Wird dieses individuell unterschiedliche Maß jedoch überschritten, wird dies meist spätestens im Erwachsenenalter spürbar, indem sich unerwünschte und einschränkende innere Zustände einstellen. Dies können in verschiedenen Graden auftretende Ängste, Depressionen, Zwänge oder Süchte sein. Oder einfach ein diffuses Unwohlsein, eine Krise oder eine innere Leere. Solltest du so etwas bei dir bemerken, ist es nicht sinnvoll, die Schuld bei anderen zu suchen und sich darauf auszuruhen, eine schwere Kindheit gehabt zu haben. Jetzt ist es wichtig, Verantwortung für diese inneren Zustände zu übernehmen und sich Hilfe zu suchen.

In der Therapie werden die ersten Schritte sein, die alten Verletzungen zu heilen. Es sollte auf eine Weise geschehen, dass die Ereignisse erinnert werden können, ohne dass dies schmerzt oder unangenehme Gefühle erzeugt. Diese Gefühle gehören in die Vergangenheit und brauchen in der Gegenwart nicht immer wieder aktiviert zu werden. So wird es immer leichter, mit seiner Selbstwahrnehmung in den Körper zurück zu kommen und seine tatsächlichen, aktuellen Gefühle und Bedürfnisse zu fühlen. Das Körperbewusstsein nimmt zu, bis es sich gut anfühlt, mit sich selbst in Verbindung zu sein und die eigene Lebendigkeit zu fühlen. Sport und Körperübungen können diesen Prozess unterstützen.

Stimmigkeit erleben

Du kannst selbst definieren, wer du sein willst, was du erleben und fühlen möchtest. Die Zeit, in der du von anderen abhängig bis, ist vorbei. Schüttelst du die Stimmen und Erfahrungen der Vergangenheit ab und kommst in der Gegenwart an, erfährst du Stimmigkeit mit dir selbst und der Welt. Wenn Selbstvertrauen, Selbstwert und Selbstbewusstsein im Innern verwirklicht sind, können sie auch im Außen erfahren werden. Das Vertrauen in andere Menschen und die Welt kehrt zurück. Du erfährst den Wert des Lebens und kannst dich von ihm berühren lassen. Die Zweifel nehmen ab und die Selbstbestimmung zu. Mit dem Selbstbewusstsein nimmt dein Bewusstsein für alles um dich herum zu, und du kannst wahrnehmen, was tatsächlich ist. Damit öffnet sich ein Raum, der sich mit, wie ich es nenne, grundloser Daseinsfreude füllen kann.

Erfahre, was mit moderner Psychotherapie möglich ist!

„Werde die beste Version deiner selbst“: eine Aufforderung, die in den sozialen Netzwerken allgegenwärtig ist. Viele Coachs bieten auf ihren Websites, auf Facebook oder YouTube ihre Unterstützung bei der Selbstoptimierung an. Auch viele meiner Klienten äußern in den Therapiesitzungen diesen Anspruch an sich selbst. Tatsächlich kann das aber gar nicht funktionieren. Die Absicht trägt den Grund dafür bereits in sich, denn sie stellt selbst einen Widerspruch dar: Wer will hier die beste Version von wem erschaffen? Bemerkst du die ungesunde Spaltung? In diesem Artikel erfährst du, warum Selbstoptimierung die Möhre ist, hinter der der Esel herläuft, und worauf es wirklich ankommt.

„Mach was aus Dir!“

„Mach was aus Dir!“ Hat das auch zu dir schon einmal jemand gesagt? Dieser Befehl ist typisch für unsere leistungsversessene Gesellschaft mit dem Streben nach ewigem Wirtschaftswachstum. Schon unser Schul- und Ausbildungssystem ist letztlich darauf ausgelegt, uns zu Konsumenten zu machen, die sich als winziges Rädchen im kapitalistischen Weltmonopoly mitdrehen und ihr Leben Unternehmen verschreiben, die es ihnen kaum danken.

Es erscheint uns ganz normal, dass die Welt so ist und dass wir alle Karriere machen wollen. Doch die Illusion, dass das Leben umso schöner wird, je mehr wir von dem Konsumkuchen abbekommen und je mehr wir unseren Status ausbauen, zerplatzt in dem Moment, in dem der Burnout, die Depression, Zwänge oder Ängste sich melden. Was ist da nur schief gelaufen? Wir sind schon als Kinder darauf ausgerichtet worden, dass wir etwas aus uns selbst machen müssen. Die wenigsten Menschen kommen auf die Welt und werden einfach um ihrer selbst willen angenommen und geliebt. Die Eltern sind meist schon im Leistungsdenken gefangen und Teil der Bedeutungsmaschine.

Das Kind als Projekt der Eltern

Der Trend, dass Eltern ihre Kinder als ihr persönliches Projekt ansehen, verstärkt sich immer mehr. Es kommt nicht einfach ein Mensch auf die Welt, der sich in Verbindung mit den Eltern selbst erprobt und sich zu einem selbstbewussten, selbstdenkendem, empathischen und vertrauensvollen Erwachsenen entwickelt. Nein, es wird ein Wesen geboren, das es zu optimieren gilt. Mit neuen gentechnischen Verfahren wird das in Zukunft sogar schon vor der Zeugung möglich sein.

Der Mensch, der das Licht der Welt erblickt, wird, so ist mein Eindruck, den ich in vielen Sitzungen gewonnen habe, nicht als vollständiger Mensch betrachtet, der nur lernen muss, seine Fähigkeiten zu entfalten und sich in der Welt zurechtzufinden. Er wird zu einem Objekt gemacht. Alleine diese Haltung der Eltern erzeugt in dem kleinen Wesen einen riesigen Schmerz. Denn dies ist nicht möglich, ohne dass die Eltern die liebevolle und annehmende Verbindung zu ihm unterbrechen. Wichtiger als dieses subjektive Wesen und seine tatsächlichen Gefühle und Bedürfnisse sind die Ziele, die die Eltern mit ihm erreichen wollen.

Die Selbstverleugnung

Sowohl ein zu geringes, als auch ein zu vereinnahmendes Interesse der Eltern führen bei dem Kind zu dem Empfinden, dass etwas an ihm falsch sei. Es versucht, den Eltern gerecht zu werden und passt sich an die Gegebenheiten an. Dazu muss es sich selbst verleugnen. Es spaltet Teile von sich selbst ab, weil sie nicht erwünscht sind. Ein Kind, das tagträumt oder sich mit scheinbaren Banalitäten befasst, kann ja nicht gut lernen und funktionieren. Das Lebensgefühl falsch zu sein trägt es sein ganzes Leben mit sich herum.

Kein Wunder, dass sich irgendwann Depressionen, Zwänge, Ängste oder ein Burnout zeigen. Diese werden dann als Erkrankung oder Zusammenbruch bezeichnet. Das ist jedoch grundfalsch. Die Erkrankung entstand schon im Kindesalter, und der Zusammenbruch der Persönlichkeit fand ebenfalls oft bereits vor Jahrzehnten statt. Nun ist das System der Betroffenen nicht mehr in der Lage das falsche Spiel mitzuspielen. Die „Erkrankung“ ist eigentlich die Chance zur Rettung aus der jahr(zehnte)langen Selbstverleugnung. Sie zwingt dazu, sich sein eigentliches Leiden anzusehen und eine eigenständige Persönlichkeit zu bilden.

Selbstoptimierung ist nicht der Weg

Wer in solch einer Situation nun meint, sich selbst weiter optimieren zu müssen, geht genau jenen eigenen schädlichen Mustern in die Falle, die das Problem auslösten. Du siehst dich selbst als fehlerhaft an, weil du findest, dass du krank bist oder ein Problem hast. Du meinst diese Fehler reparieren zu müssen. Nochmal: Die Depressionen, der Zwang, die Ängste oder der Burnout ist nicht die Erkrankung. Die eigentlichen Ursachen sind viel älter und sind dir meistens gar nicht bewusst.

Die Motivation, eine bessere Version von sich selbst zu erschaffen, kommt  in der Regel von außen. Denn du befasst dich damit, wie andere dich sehen sollen, statt in die Kraft deiner eigenen Persönlichkeit zu kommen. Auch wenn du denkst, dass du derjenige seiest, der dies will, überprüfe, woher diese Idee wirklich kommt. Fast immer liegen unseren Überzeugungen und Werte Ideen zu Grunde, die wir in der Kindheit aus unserer Umgebung aufgenommen haben. Der Wunsch, eine bessere Version von dir selbst zu sein, ist also letztlich wieder eine solche Anpassung an andere. Er ist Teil des Wunsches angenommen und geliebt zu werden. Doch solange du auf den Zuspruch von außen angewiesen bist, bist du manipulierbar und nicht du selbst.

Die Arbeit an den Symptomen verstärkt das Problem

Der Grund für deine Anpassung liegt in einem Mangel an ungetrübter Zuneigung und Annahme, den du irgendwann als Kind empfunden hast. Du hast nicht die bedingungslose Aufmerksamkeit und Verbindung erlebt, die dir zustanden. Dieses Gefühl des Mangels und die Idee, dass mit dir etwas nicht stimmt, zwangen dich dazu, dich deiner Umgebung unterzuordnen. Du musstest Teile von dir selbst verleugnen: zum Beispiel deine Gefühle oder Bedürfnisse, denn jemand anders hat die Deutungshoheit darüber an sich gerissen, und du musstest folgen.

Genau das haben wir alle mehr oder weniger stark erfahren. Das ist fast unserer gesamten Gesellschafft immanent. Wir alle tragen die Folgen davon in uns. Wir leben eben nicht in einer idealen Welt mit idealen Menschen. Wenn Du nun deine Anpassung weiter vorantreiben willst, weil du denkst, dass dadurch deine Probleme verschwinden, bist du auf dem Holzweg. Es hat damals funktioniert, als du klein warst, und du denkst, das funktioniert weiterhin. Das ist falsch, denn du bist nicht mehr klein. Heute hast du ganz andere Möglichkeiten und Fähigkeiten. Deine Lösungen von damals, die bestimmte Verhaltensprogramme in dir hervorgerufen haben, sind nicht mehr zeitgemäß. Du musst – und kannst! – sie ändern.

Was tatsächlich zu tun ist

Bist du mit deinem Leben, dir selbst oder deinem Beruf unzufrieden? Dann ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass du früher fremdgesteuerte Entscheidungen gefällt hast. Du hast nicht aus deinen eigenen Gefühlen, Bedürfnissen und Interessen heraus gehandelt. Vielmehr hast du aus deiner Anpassung heraus versucht, die Erwartungen der anderen zu erfüllen. Das ist auch nicht falsch, wie du jetzt vielleicht denken könntest. Es war früher einmal deine Lösung dafür, deine eigenen inneren Konflikte und die mit deiner Umgebung zu handhaben. Das war geschickt und erforderlich. Doch die Lösungen eines Kindes passen nicht in das Leben eines Erwachsenen. Du stößt an Grenzen und beschränkst dich selbst.

Die Folge davon ist, dass du nun innere Zustände erfährst, unter denen du leidest: Gereiztheit, Erschöpfung, Beziehungsprobleme, Ängste, Zwänge, Depression, Burnout oder gar psychogene Erkrankungen. Es mag dir so erscheinen, dass diese Zustände nur schwer zu lösen seien. Doch das ist nicht so. Moderne Therapiemethoden bieten sehr gute Ansätze, die wirklichen Ursachen zu finden und aufzulösen. Probleme, die du hast, liegen in der Regel auf der emotionalen Ebene. Deshalb müssen sie auch auf dieser Ebene bearbeitet werden. Klassische Therapien bringen hier häufig nicht den gewünschten Erfolg. Sie versagen selbst nach längerer Dauer und vielen Sitzungen, wie ich immer wieder von Klienten höre – weil sie zu sehr auf der Verstandesebene bleiben.

Was du für dich selbst tun kannst

Der Wunsch nach Selbstoptimierung entstammt grundsätzlich einem Mangelempfinden. Du hast möglicherweise den Eindruck, dass dir etwas fehlt, du nicht gut genug bist oder andere nicht gut über dich denken. Du rennst der Möhre hinterher und erhoffst dir Anerkennung, Bestätigung oder Zuneigung von anderen. Doch wie der Esel die Möhre niemals erreicht, so wirst du auf diese Weise auch niemals das Gewünschte fühlen.

Besinne dich auf dich selbst. Mache dir klar, was dich ausmacht, was deine Fähigkeiten und Qualitäten sind, die du jetzt schon hast. Lasse es zu, deine eigene Kraft zu spüren. Spüre die Fülle, in der du bereits jetzt lebst. Frage dich: Was fehlt mir genau jetzt? Dann wirst du feststellen, dass du tatsächlich alles hast, was du brauchst.

Ändere deine Haltung: vom empfundenen Mangel zur Fülle. Lass andere an deiner Fülle teilhaben. Du wirst sehen, dass sich dein Leben und wahrscheinlich auch deine berufliche Tätigkeit ganz grundlegend ändern. Du bestimmst, wer du bist. Du bist die entscheidende Instanz deines Lebens. Alles andere fügt sich dann von selbst.

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Welches Gefühl stellt sich ein, wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken? Welche Personen kommen Ihnen als erstes in den Sinn? Was ist Ihr Gefühl, wenn Sie an sie denken?

Erhielten Sie als Reaktion auf diese Fragen unangenehme Empfindungen? Haben Sie möglicherweise noch Ladung auf Ihre Eltern? Schmerzen verletzende Erlebnisse mit den Spielkameraden noch immer? Ist noch etwas mit den Geschwistern offen? Gibt es etwas, das sich in Ihrer Kindheit nicht abgeschlossen anfühlt? Belasten Sie Erlebnisse aus der Vergangenheit, sodass Sie noch heute darunter leiden? Dieser Artikel zeigt auf, wie Sie solche Altlasten loswerden können.

Die Lösung kann einfach sein

Kennen Sie Menschen, die Ihre Probleme und Schwierigkeiten im Leben oder ihre Erkrankungen damit erklären, dass sie eine schwere Kindheit hatten? Auch, obwohl diese schon Jahrzehnte zurückliegt? Wie kann das sein?

Ich sehe hierfür mehrere Gründe. Zum einen kann es sein, dass derjenige sosehr mit seiner Ich-Blase identifiziert ist, dass es für ihn selbstverständlich ist, sich so zu erleben. „So bin ich eben!“ ist eine typische Aussage in solch einem Fall. Es kam ihm noch nie in den Sinn, anders sein zu können.

Zum zweiten ist es möglich, dass jemanden seine Problemlage schon sehr bewusst ist, er oder sie aber keine Möglichkeit sieht, sie zu ändern. Wer weiß schon, außer den Therapeuten selbst, was moderne Therapiemethoden leisten können? Über Therapieerfahrungen wird selten gesprochen und überholte Vorstellungen über die Psychotherapie herrschen vor. Dabei gibt es heute viele sehr effektive Therapiemethoden und wirkungsvolle Ansätze zur Selbsthilfe. Aber wie soll man deren Nutzen beurteilen können, wenn man als Außenstehender keinen Begriff davon hat, wie sie tatsächlich funktionieren?

Des Weiteren scheuen viele Menschen den Besuch bei einem Therapeuten. „Wer zu einem Therapeuten geht, muss schon einen schweren psychischen Schaden haben. Aber so einer bin ich ja nicht.“ Dieses Vorurteil hindert viele daran, ihre Lebensqualität mit einem meist überschaubaren Aufwand zu verbessern. Therapie in Anspruch zu nehmen ist für viele mit einer hohen Hürde versehen. Anwälte, Steuerberater, Architekten oder Agenturen bei entsprechenden Anliegen zu konsultieren, wird als normal angesehen. Seine eigenen persönlichen, emotionalen oder mentalen Themen bei einem Therapeuten zu klären, scheint viele zu befremden.

Natürlich gibt es auch solche, die auf Ihre Probleme und Beschwerden eine solide Identität aufgebaut haben. Sie empfinden dieses Problem oder dieses Leiden, als seien sie es selbst und sie wollen es daher gar nicht loslassen. Dies leuchtet ein, denn es könnte sich so anfühlen, als käme es einer Selbstzerstörung gleich, diese Muster aufzulösen. Sie haben keine Vorstellung davon, wer sie jenseits dieser Identität wären. Zudem könnten ihre Schwierigkeiten eine gute Rechtfertigung dafür sein, keine Verantwortung für sich selbst übernehmen zu müssen. In solch einem Fall ist eine Therapie natürlich nicht unbedingt leicht, aber überaus sinnvoll und möglich.

Wer bereit ist, Veränderungen zuzulassen, wird in einer zeitgemäßen Therapie ziemlich schnell Erfolge erzielen können. Die Methoden sind wenig konfrontativ und Verbesserungen werden häufig schon nach der ersten Sitzung gespürt.

Die Vergangenheit ist vergangen

Es ist durchaus möglich, dass sich unangenehme Erlebnisse aus der Kindheit von selbst heilen. Beispielsweise durch eine gegenteilige Erfahrung. So kann sich jemand als Kind in seinem Freundeskreis als Außenseiter gefühlt und nie richtig Anschluss gefunden haben. Diese Erfahrung kann sehr prägend für einen Menschen sein. In unserem Fall fand das Kind aber nach einem Umzug einen neuen Freundeskreis in dem es ihm leicht fiel neue Kontakte zu schließen. Dieses Erlebnis neutralisierte die vorhergehende Erfahrung und so blieben keine Folgen.

Fast jeder hat trägt jedoch belastende Spuren seiner Kindheit in sich. Diese können einem das Leben sehr schwer machen, wenn man nicht etwas unternimmt. Machen Sie sich dazu zuerst folgendes klar: Das, was tatsächlich in Ihnen als Kindheit lebt, ist eine Erinnerung. Diese Zeit ist längst vergangen. Sie existiert tatsächlich nicht mehr und kann uns eigentlich nicht mehr beeinflussen. Häufig verleihen wir jedoch unserer Vergangenheit Macht über uns. Dies geschieht dadurch, dass ein Erlebnis oder eine Situation nicht adäquat zu Ende erlebt werden konnte und ein loses Ende blieb. Je stärker die emotionale Ladung dabei war, umso stärker wurde das daraus entstehende Muster in uns eingeprägt und umso mehr Einfluss bekam es.

Eine manchmal nicht so nützliche Funktion unseres Gehirnes ist es, Beweise für die Richtigkeit des Erlebten und den daraus gefolgerten Schlüssen zu suchen. Natürlich findet es diese und das verstärkt wiederum das zu Grunde liegende Muster. Beispielsweise gab ein Vater seinem Kind nicht die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die es sich wünschte. Das Kind ging davon aus, dass der Vater es lieben sollte, weil es ihn ja auch liebt. Es zog für sich den Schluss, dass etwas mit ihm falsch ist oder dass es etwas falsch macht. Dabei war das gar nicht der Fall! Ist diese Überzeugung jedoch einmal etabliert, kann ein flüchtiger, merkwürdiger Blick oder ein belangloser Satz eines Fremden als eine Bestätigung für das „Ich bin falsch.“ interpretiert werden.

Dies ist ein sich selbst verstärkender Kreislauf, bei dem immer mehr Situationen, Personen, Orte, Gefühle oder Gedanken an das Muster geknüpft werden. So entstehen Depressionen, Burn-Out, Zwänge, Ängste und so weiter. Die Muster entwickeln ein Eigenleben und bekommen zunehmend Bedeutung und Einfluss. Es kann soweit kommen, dass sie das ganze Leben zu bestimmen scheinen.

In der Kindheit werden die Weichen gestellt

In Sitzungen erlebe ich es immer wieder, dass die meisten Erfahrungen, die einen lebensbestimmenden Einfluss haben, in der Kindheit oder in der frühen Jugend gemacht werden. Das liegt nicht daran, dass diese Zeiten schlechter gewesen wären, sondern daran, dass manch eine Situation den unerfahrenen, jungen Menschen unvorbereitet erwischt und ihn schlicht überfordert. Es kann diese Hilflosigkeit sein, die hängen bleibt, oder eine Scham für die eigene, im Nachhinein, als unangemessen bewertete Reaktion. Oder die Gefühle waren zu überwältigend und konnten nicht eingeordnet oder verarbeitet werden.

Dazu kommt, dass Kinder ihren Eltern eher glauben, als sich selbst. Wenn der Vater zu dem auf das Knie gefallenen Kind sagt: „Das tut nicht weh!“, dann unterdrückt es seinen Schmerz und versucht ihn nicht zu zeigen. Das gleiche gilt für die Aussage: „Du brauchst nicht traurig sein!“, und so weiter. Das Kind trennt sich von seinen Gefühlen und das bleibt in der Regel so, bis der Erwachsene merkt, dass irgendetwas nicht stimmt.

Oft schauen sich Kinder Muster bei Ihren Eltern oder anderen Vorbildern einfach ab. Ist die Mutter depressiv, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich dies auf das Selbstbild des Nachwuchses überträgt. Schlicht aus Empathie. Gleiches gilt für machohaftes Gehabe des Vaters. Was wird das wohl mit dem Selbstbild des Sohnes machen?

Dann gibt es natürlich auch noch die Kategorie der massiven Übergriffe von Eltern, anderen Erwachsenen oder etwa Gleichaltrigen, beziehungswiese „Spielkameraden“. Missbrauch, egal ob auf körperlicher, sexueller oder emotionaler Ebene, muss nicht zwingend einen bleibenden Schaden beim Kind oder Jugendlichen hinterlassen, es ist aber in der Regel so.

Wunden heilen

Dies sind nur einige Beispiele. Jeder kann hierzu sicherlich eine Geschichte aus eigener Erfahrung beitragen. Grundsätzlich gilt: Sind unsere mentalen und emotionalen Strukturen zu eng, um ein Erlebnis einordnen zu können, überfordern sie uns und das kann Probleme bereiten. Das gilt übrigens für jedes Alter.

Wer denkt, dass Selbstbefriedigung eine Sünde ist, wir seinen Trieb unterdrücken müssen und einen inneren Konflikt erleben. Wer davon überzeugt ist, dass es nicht männlich ist, seine Gefühle zu zeigen, wird kaum Nähe zulassen können. Wer gegen sich selbst Vorbehalte hat, wir nur schwer einen Lebenspartner finden, mit dem er oder sie aufblühen kann. Wer sich selbst dadurch schwächt, dass er sich schuldig oder minderwertig fühlt, wird kaum Lebensfreude empfinden können.

Daher finde ich es extrem wichtig, sein eigenes Glaubenssystem so weit auszudehnen, dass es maximal viele tatsächliche oder potentielle Erfahrungen, Situationen und Zustände integrieren kann. Dies geschieht durch die Aufarbeitung belastender Erfahrungen und Zustände. Dadurch werden Sie sich kaum mehr hilflos, orientierungslos, angegriffen, überfordert oder verletzt fühlen. Es stellt sich leichter Gelassenheit und Zufriedenheit ein. Die Lebensqualität nimmt enorm zu.

Von der Vergangenheit befreien

Was, wenn Sie diese Gelassenheit und Zufriedenheit nicht spüren? Oder Sie immer wieder bestimmte Situationen herunterziehen? Dann haben Sie es wahrscheinlich mit Mustern zu tun, die nicht mehr in Ihre gegenwärtige Zeit passen. Auch wenn es uns nicht unbedingt bewusst ist, wir haben uns selbst irgendwann einmal für diese Muster entschieden. Manchmal freiwillig, manchmal unter Zwang. Wie auch immer, wir können uns von Ihnen befreien und die Belastungen unserer Kindheit hinter uns lassen.

Dies kann nur gelingen, wenn dabei die mentale, emotionale und neuronale Ebene im gleichen Maße berücksichtigt werden. In den Sitzungen werden gesammelte, selbstreferentielle Beweise durchschaut und ad absurdum geführt, Verletzungen geheilt und gewohnheitsmäßige Programme gelöscht. Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit. Nutzen Sie die Möglichkeiten moderner Therapieverfahren und schließen Sie Frieden.

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Von klein an war mein Leben von der Suche bestimmt. Zuerst wollte ich die Welt verstehen, dann, was Menschensein bedeutet. Meine Berufe waren zuerst naturwissenschaftlich und später therapeutisch orientiert. Dieser Artikel beschreibt, wie sich mein Leben entwickelte und wie meine Suche ihr Ende fand.

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