Die Reise eines Kohlenstoffatoms – Oder: Alles ist Eins

Menschen leiden vor allem darunter, dass sie sich getrennt fühlen. Jedes andere Leid und jede Gewalt gegen sich selbst und andere, sind letztendlich eine Folge davon. Ich finde, es ist Zeit für eine Mentale Revolution. Kern dieser Revolution soll das Gewahrwerden des natürlichen Wesens des Menschen sein. Sie würde das Ich an seinen ihm angestammten Platz rücken, das eigene Selbstverständnis grundlegend ändern und dem Einzelnen eine große Erleichterung bringen. Die Veränderungen im Weltbild wären radikaler als die der kopernikanische Wende. Dazu jedoch zu einem späteren Zeitpunkt mehr. In diesem Artikel möchte ich mich damit befassen, warum es so einleuchtend ist, dass es nur eine einzige Ganzheit gibt und die Vorstellung der Trennung frei erfunden ist. Hierzu bedienen wir uns eines Gedankenexperimentes. Später verweise ich auf ein Experiment, das, bei entsprechender Bereitschaft, diese Ganzheit erfahrbar macht.

Die ewige Reise

Beginnen wir mit unserem Gedankenexperiment und reisen ein paar Millionen Jahre zurück. Irgendwo draußen im Weltall fusioniert eine Sonne Wasserstoff zu Helium und weiter zu schwereren Elementen wie Kohlenstoff. Während ihr Brennstoff zu Neige geht, kollabiert sie zu einem weißen Zwerg und haucht, als eine Supernova, ihr Leben aus. In der riesigen Explosion wird ihr Material in das Weltall hinausgeschleudert. So auch das Kohlenstoffatom, das wir auf seiner Reise begleiten wollen. Es treibt durch den Raum, bis ein größerer Brocken vorbeikommt, der es mit seiner Gravitation einfängt und weiter Richtung Erde transportiert. Nach langer, langer Zeit hier angekommen, verglüht der kleine Meteorit in der Atmosphäre. In der großen Hitze verbindet es sich mit zwei Sauerstoffatomen zu Kohlendioxid. Dieses Molekül dümpelt nun ein paar Jahrtausende um die ganze Welt und gelangt in immer tiefere Luftschichten.

In Bodennähe angekommen passiert es eine Bohnenpflanze. Dieses assimiliert das Kohlendioxidmolekül und befreit unser Kohlenstoffatom vom Sauerstoff, den sie an die Luft abgibt. Das Kohlenstoffatom wird einem unheimlich komplizierten Stoffwechselprozess in ein Eiweißmolekül eingebaut und landet schließlich in der Frucht der Pflanze: in einer der Bohnen. Zur Erntezeit fährt der Bauer mit seiner Maschine über das Feld und pflückt die Bohne mit dem Kohlenstoffatom. Nun kommen Sie ins Spiel, denn Sie kaufen diese Bohne mit vielen anderen zusammen in einer Konservendose. Der Herstellungsprozess konnte dem Eiweißmolekül glücklicherweise nichts anhaben, es befindet sich immer noch an seinem Platz. Ein paar Tage später machen Sie, weil es wieder einmal schnell gehen muss, aus diesen Bohnen einen Salat.

Wir essen Sternenstaub

Wie es der Zufall so will, essen Sie diese spezielle Bohne mit dem Kohlenstoffatom aus der Supernova. Ihr Körper entschließt sich spontan dazu, das Eiweißmolekül in dem es enthalten ist, bei der Bildung einer Plattenepithelzelle zu verwenden (natürlich wieder mittels eines sehr komplizierten Stoffwechselprozess). Diese Plattenepithelzelle befindet sich an ihrer rechten Hand. Ihre Hautzelle teilt sich noch ein paarmal, bis sie in einer der oberen Schichten verhornt. Einige Tage später fällt das Hautschüppchen, mit dem Kohlenstoffatom ab und landet auf ihrem Teppich.

Hier wird es von einer Staubmilbe gefressen. Diese nutzt das Kohlenstoffatom in ihrem Stoffwechsel häufiger und es verbleibt in ihr bis zu ihrem Tod. Irgendwann erwischen Sie diese tote Staubmilbe mit dem Staubsauger. Etwas später, als der Staubsaugerbeutel voll ist, entsorgen Sie ihn in den Restmüll, der schließlich in der Müllverbrennung landet. Hier, vom Feuer erfasst, wird aus unserem Kohlenstoffatom, welches zuletzt in der unseligen Staubmilbe als Bestandteil eines DNS-Moleküls diente, wieder ein Kohlendioxidmolekül, das die Entsorgungsanstalt elegant über den Schornstein verlässt.

Wie es wohl mit unserem Freund weitergeht? Vielleicht wird er vom Wind zu den großen Regenwäldern getragen und dort in einen Baum eingebaut? Oder regnet ins Meer hinab, wo eine Muschel ihre Schale damit bildet? Möglicherweise wandert es in die oberen Atmosphärenschichten, von wo aus es im Kohlendioxidmolekül vom Sonnenwind wieder in den interstellaren Raum getrieben wird? Wer weiß?

Wo beginnt das Leben, wo hört es auf?

Aber worauf es hier ankommt: Wann war dieses Kohlenstoffatom Ihr Kohlenstoffatom? Wann gehörte es Ihnen? Haben Sie es je besessen? Wann war es lebendig, also gehörte es zu einem lebendigen Körper? Als es in Ihren Verdauungstrakt kam? Als es verstoffwechselt wurde? Während es in Ihrer Haut eingebaut war und dort eine Funktion erfüllt hat? Diese Überlegungen beziehen sich hier natürlich hauptsächlich auf dieses eine Kohlenstoffatom. Sie gelten jedoch für jedes Atom in ihrem Körper, dass heiß für ihren gesamten Körper! Auch auf alle Atome um Sie herum, denn diese könnten ja auch mal „Ihre“ werden. Ein Atemzug und das, was eben noch Teil Ihres Nachbarn war, ist nun Ihres.

Hier ist meine Antwort: Dieses Kohlenstoffatom war nie Ihres und es war nie lebendig oder nicht lebendig. Alle Atome, die gegenwärtig zu Ihrem Körper gehören oder die sich irgendwann einmal von ihm Körper gelöst haben, sind immer noch genau so lebendig, wie die, die noch nie Teil Ihres Körpers waren. Das hat zwei Gründe: Zum einen gibt es diese Ich, von dem Sie glauben, dass Sie es sind, nicht. Dazu hier mehr. Und zum anderen gibt es nicht Leben im Universum, sondern ein Universum im Leben. Alles, was in diesem unvorstellbar riesigen Universum existiert, ist eine Erscheinung dieses Lebens! Es ist ein unteilbares Sein.

Die Ganzheit ist erfahrbar

Es gibt keine Grenze zwischen Innen und Außen. Auch nicht zwischen Du und Ich. Falls es Ihnen doch so erscheinen sollte, dann nur deshalb, weil Sie darauf konditioniert sind. Sie mögen jetzt einwenden, dass sich diese Gedanken ja nur auf die materielle Ebene beziehen und der Mensch ja schließlich viel mehr ist. Er hat doch einen eigenen Geist und ein eigenes Bewusstsein! Falls Sie offen für eine neue Erkenntnis sind, könnte Ihnen dieses Experiment hier Klarheit bringen.

Erfahre, was mit moderner Psychotherapie möglich ist!

Ulrich Heister