Gegenwärtigkeit ist dein Reset-Knopf

Du kennst das: Die Gedanken kreisen und du kommst innerlich nicht zur Ruhe oder du bist emotional aufgewühlt und weißt nicht, wie du da herauskommen sollst. Du wünschst dir einen Reset-Knopf, den du einfach nur zu drücken brauchst, um wieder zu dir selbst zu kommen und deinen inneren Frieden wieder herzustellen. In diesem Newsletter zeige ich dir eine einfache Übung, mit der du das erreichen kannst.

Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft sind das Problem

Menschen mit depressiven Neigungen sind mit ihrer Aufmerksamkeit sehr bei vergangenen Ereignissen, die emotional stark aufgeladen sind. Sie „hängen“ an diesen negativen Erfahrungen und übertragen deren Qualitäten in die Gegenwart, die eigentlich keinen Anlass zur Depression gibt. Meist sind die Erfahrungen derart, dass die Betroffenen sich in der Vergangenheit nicht mit ihren Bedürfnissen und Gefühlen angenommen fühlten. Sie durften nicht so sein, wie sie sind und lernten daher ihre Gefühle zu unterdrücken und sich den Erwartungen anzupassen. Dieses Verhalten ist zu einer Angewohnheit geworden, die man übrigens recht leicht auflösen kann.

Ängstliche Menschen nehmen negative Erfahrungen aus der Vergangenheit und projizieren sie in die Zukunft oder Gegenwart. Sie hatten in der Vergangenheit Erlebnisse, die von zum Beispiel Überforderung, Hilflosigkeit, Verzweiflung, Demütigung gezeichnet waren oder in denen sie das Gefühl hatten, die Kontrolle verloren zu haben. Das möchten sie, verständlicherweise nie wieder erleben. Deswegen sind sie in der Gegenwart ständig in Alarmbereitschaft oder malen sich aus, wie die Zukunft wohl werden wird, um sich davor zu schützen, solche verletzenden Erfahrungen erneut zu machen. Grundsätzlich können derartige Verhaltensprogramme auch sehr gut bearbeitet und die Angst überwunden werden.

Der Zeitfaktor

Du merkst, es ist erheblich, worauf unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist. Der Zeitpunkt mit dem du dich identifizierst, ist ein wichtiger Faktor, der Einfluss auf dein Wohlgefühl hat. Ganz grundsätzlich lässt sich sagen, dass bei einem immer wiederkehrenden Unwohlsein sich die Aufmerksamkeit mit anderen Dingen, als der Gegenwart befasst. Dies geschieht bewusst oder unbewusst. Wir alle tragen Erfahrungen, Konditionierungen, Überzeugungen, Bewertungen und Konzepte mit uns herum, die uns nicht gut tun. Und diese Muster werden meist dann aktiviert, wenn wir gestresst sind, im Ungleichgewicht sind oder uns geschwächt fühlen.

Im Moment des mentalen und emotionalen Aufruhrs werden diese Verhaltensmuster aktiv und trennen uns von dem ab, was gerade tatsächlich ist. Also vom unmittelbaren Erleben, denn die Muster entstanden in der Vergangenheit und waren einmal Lösungen für Probleme, die mit dem aktuellen Erleben nichts mehr zu tun haben. Diese anachronistischen Verhaltensprogramme binden uns an die Vergangenheit.

Die allermeisten Leiden der Menschen spielen sich in ihrem Gehirn ab. Dies ist so sehr mit sich selbst beschäftigt und mit seinen antrainierten Mustern, dass es nicht mitbekommt, was tatsächlich ist. In der Hirnforschung wird dies als Selbstreferentialität bezeichnet. Wir beziehen uns immer wieder auf diese im Nervensystem gespeicherten Erfahrungen, bis sie so etwas wie ein Eigenleben entwickeln. Dabei schmoren wir sozusagen im eigenen Saft. Haben wir eine Chance da heraus zu kommen? Ja, und das ist gar nicht so schwer. Dazu brauchen wir nur ohne viel zu denken in der Gegenwart zu sein. Dann geht es uns gut. So simpel ist das.

Gegenwärtigkeit ist der Schlüssel

Wie ist es nun möglich, diesem Automatismus zu entkommen? Wir müssen unser Gehirn beruhigen. Das ist eigentlich ganz einfach. Wir brauchen nur mit unserer Aufmerksamkeit in die Gegenwart zu kommen. Und das gelingt uns leicht, indem wir unsere Sinne benutzen.

Die folgende Übung reicht alleine bei Depressionen oder Angststörungen wahrscheinlich nicht aus, um sie völlig zu überwinden, sie kann aber lindernd wirken. Solltest du bemerken, dass du mit der Übung nicht zur Ruhe kommst, melde dich bei mir. Starke automatisierte Muster können in einer Therapie gut behandelt werden.

Die Übung ermöglicht geistige Autonomie und hilft dir klar zu sehen, zu denken und zu fühlen. Sie führt dich zu dem, was unmittelbar ist, jenseits deiner Denk- und Verhaltensmuster. Es kann sein, dass du eine gewisse Dauer mit ihr üben musst. Mit der Zeit wirst du ihre Wirkung immer leichter erreichen. Und sie ermöglicht dir, dich schnell in einen Zustand des Wohlgefühls zu bringen. Das Denken wird still und dein Empfinden unmittelbarer.

Anleitung zur Übung

Suche dir einen ruhigen Platz, an dem du dich ungestört hinsetzen kannst. Die Fingerspitzen deiner Zeigefinger berühren irgendwo deine Oberschenkel, wo es bequem für dich ist. Die Berührung ist leicht und ohne Druck. Die übrigen Finger sollten keinen Kontakt haben. Lege deine Arme so ab, dass sie entspannen können. Nun schließe die Augen.

Gehe nun mit deiner Aufmerksamkeit in die Kontaktstelle des eines Zeigefingers zu deinem Oberschenkel. Fühle diese Kontaktstelle. Fühle, was du dort fühlst. Dies kann Wärme sein, Kälte, ein Kribbeln, Pulsieren, Fließen, Verbindung, die Textur des Stoffes oder anderes. Bleibe mit deiner Aufmerksamkeit ausschließlich dort. Fühle. Wenn deine Aufmerksamkeit abschweift, gehe wieder zurück zur Kontaktstelle. Mache das für einige Minuten.

Nun mache das gleiche mit der Kontaktstelle des anderen Zeigefingers. Wenn einige Minuten vorbei sind, gehe mit deiner Aufmerksamkeit in beiden Kontaktstellen gleichzeitig. Dies ist die eigentliche Übung. Wenn deine Aufmerksamkeit abschweift, gehe wieder zurück zu den beiden Kontaktstellen.

Wenn du das einige Zeit lang machst, stellst du fest, dass dein Kopf ruhiger wird, dass sich emotionale Wellen legen und sich ein gutes Gefühl einstellt. Wenn das gute Gefühl da ist, halte deine Aufmerksamkeit bei dem guten Gefühl und den beiden Kontaktstellen gleichzeitig.

Wenn du möchtest, und deine störenden Gedanken und Gefühle immer noch da sind, Fühle die Kontaktstellen, das gute Gefühl und nimm die Gefühle und Gedanken ohne Widerstand wahr. Du wirst feststellen, dass sich das Gedankenkreisen und die Gefühle in dem guten Gefühl auflösen.

Anfangs kann das schwierig sein. Die Fähigkeit, deine Aufmerksamkeit zu steuern, muss trainiert werden. Diese Übung solltest du mehrmals am Tag machen. Mit der Zeit werden sich der ruhige Zustand und das gute Gefühl immer leichter und schneller einstellen. Dieser Zustand wird mehr und mehr zu deiner alltäglichen Natur. Solltest du Fragen zu der Übung haben, antworte einfach auf diesen Newsletter.

Viel Spaß und Erfolg!

Ulrich Heister