Vergebung in fünf Schritten

Praxis für Psychotherapie und Hypnosetherapie | ulrich-heister.de

Fühlst Du Dich gekränkt, allein gelassen oder hast Groll auf jemanden? Dann könnte Vergebung weiterhelfen. Vergebung wird, glaube ich, oft als uncool oder als Schwäche angesehen. Dabei ist der Vorgang der Vergebung äußerst heilsam. Warum das so ist und wie Vergebung funktioniert, liest Du hier.

Umgang mit Verletzungen

Spricht jemand darüber, dass sie oder er sich von jemand anderem verletzt oder sich ungerecht behandelt fühlt, kommen als Reaktion vom anderen oft Formulierungen wie „da musst du drüber stehen“ oder „vergiss es“. Manchmal auch krassere Formulierungen wie „das Schwein sollte ein paar in die Fresse kriegen“ oder „der gehört in den Knast“. Das mag eine notwendige juristische Folge sein, aber der oder dem Betroffenen nützt das eher weniger.

Wir meinen oft, dass eine Rache, Wiedergutmachung oder Bestrafung uns wieder den Frieden bringt. Doch das funktioniert nicht immer und ist manchmal vielleicht gar nicht möglich. Und dann blieben wir auf unseren schlechten Gefühlen sitzen. Denn die eigenen Gefühle aufgrund dessen, was man erleidet hat, werden durch diese Handlungen im Außen nicht geheilt.

Auch „darüber zu stehen“ nutzt nichts. Dabei versucht das Opfer sich als besser als der Täter zu definieren. Das mag zuerst beruhigen, da sich das Opfer aufwertet und sich als moralisch überlegen ansieht, doch auch hier wird die Verletzung selbst nicht geheilt.

„Vergiss es“ scheint ein guter Rat zu sein, denn das Geschehene als Vergangenheit zu erkennen und hinter sich zu lassen, klingt vordergründig plausibel. Das Problem ist nur, dass wir willentlich etwas nicht vergessen können. „Vergiss den rosaroten Elefanten“ klappt nicht. Dies geschähe nur auf Verstandeseben und die Gefühle bleiben unberücksichtigt.

Vergebung ist nicht Verdrängung

Es gibt das unbewusste Vergessen nach traumatischen Erlebnissen, das Verdrängung genannt wird. Hierbei werden die erlebten Gefühle und Erinnerungen abgespalten. Der Betroffene bekommt von diesem Vorgang in der Regel nichts mit. Es ist eine Schutzfunktion unseres Nervensystems, um die überfordernden oder gar vernichtenden Erfahrungen zu bewältigen und die neuronale Kohärenz wiederherzustellen. Das heißt, dass sich das Innere wieder beruhigt und der Mensch in die Lage versetzt wird, weiterleben zu können.

Der Nachteil ist, dass seelische Narben bleiben. Die ausgeblendeten „negativen“ Gefühle haben zur Folge, dass auch die „guten“ Gefühle abgeschwächt wahrgenommen werden. Die Lebendigkeit und die Fähigkeit zu fühlen wird eingeschränkt. Außerdem drängt das Trauma immer wieder an die Oberfläche, weil es geheilt werden will. Kleine Auslöser können üble innere Zustände aktivieren.  Zum Beispiel Ängste, Zwänge, Niedergeschlagenheit und so weiter, die plötzlich auftreten. Und es kann in diesem Moment kein Zusammenhang oder eine Erklärung dafür gefunden werden. In einem solchen Fall ist Vergebung sicherlich nützlich, doch sollte man sich auch professionelle Hilfe suchen, um das Erlebte gründlich aufzuarbeiten und zu heilen.

Selbstautorität wieder herstellen

Wer nicht vergibt, macht sich abhängig. Solltest Du Groll auf jemanden haben oder dich gekränkt fühlen und auf Wiedergutmachung warten, schadest Du Dir selbst. Du meinst, Dich erst wieder gut fühlen und die Sache hinter Dir lassen zu können, wenn der Peiniger seine Schuld eingesteht und diese wieder gut gemacht hat. Damit erschaffst Du in Dir eine Situation, deren Lösung vom Verhalten des anderen abhängt. Darauf kannst Du, unter Umständen, lange warten und musst solange diese Missempfindungen mit Dir herumtragen, bis dieses unwahrscheinliche Ereignis eintritt.

Möchtest Du das? Befreie Dich aus dieser Falle, indem Du vergibst. Mache Dich von demjenigen, der Dir das antat unabhängig. Wie Du Dich fühlst hängt ausschließ von Dir selbst ab. Darum geht es hier. Sollte die Tat strafrechtlich relevant sein, solltest Du natürlich auch entsprechende Schritte einleiten, wenn Du das für sinnvoll hältst oder andere schützen möchtest.

Wenn etwas aus Deiner Vergangenheit Dich belastet, liegt das daran, dass Gefühle von damals nicht auserlebt wurden. Sie sind in Deinem System geblieben und beeinträchtigen Dich seit dem. Werden sie befreit, bleibt Dir lediglich eine Erinnerung, aber die schmerzt nicht mehr.

So geht Vergebung

Was nun folgt, hilft Dir Deine toxischen Gedanken und Gefühle zu beseitigen, die Du in Dir trägst. Suche Dir einen ungestörten Ort und entspanne Dich so gut es geht. Schließe Deine Augen.

1. Übernimm die Verantwortung dafür, dass das Ereignis Teil Deines Lebens ist. Gleichgültig warum, wie oder durch wen das Ereignis auftrat, es ist Teil Deines Lebens. Akzeptiere diesen Fakt.

2. Verzichte auf Wiedergutmachung. Lass den anderen frei. Gibt jeden Anspruch auf Wiedergutmachung, Rache oder den Wunsch nach Bestrafung auf. Ihr seid getrennte Wesen. Der Andere hat keine Macht mehr über Dich. Mache Dir klar, dass Du Dich damit selbst befreist.

3. Lass das Ereignis los. Erschaffe vor Deinem inneren Auge ein Bild von dem Ereignis. Betrachte es eine Zeit lang genau. Entscheide Dich, es jetzt loszulassen. Nun lässt Du das Bild langsam immer heller werden, bis Du nur noch Weiß siehst.

4. Fühle die Gefühle. Richte Deine Aufmerksamkeit auf die Gefühle, die möglicherweise noch da sind und mit dem Ereignis zusammenhängen. Habe die Absicht, sie loszulassen. Du stellst fest, dass sie sich auflösen, wenn Du sie widerstandslos fühlst.

5. Fühle Dich wohl. Gehe in Gedanken an einen Ort, an dem Du Dich wohl fühlst. Das kann ein Ort sein, an dem Du bereits tatsächlich warst oder ein Phantasieort. Fühle das Wohlgefühl in Dir und lass es sich über Deinen ganzen Körper ausdehnen. Genieße den Zustand, solange Du möchtest.

Herzlichen Glückwunsch, Du hast die Verletzung hinter Dir gelassen. Wenn es weitere derartige Erlebnisse gibt, verfahre mit ihnen genauso.

Solltest Du hierzu Fragen haben oder alleine nicht weiter kommen, melde Dich bei mir!

Ulrich Heister